Drogenrazzia im Maria (Bericht – taz)

Arm, aber sexy, aber süchtig

In der Nacht von Samstag auf Sonntag führte die Berliner Polizei im Club Maria am Ufer eine Drogenrazzia durch. Ergebnis und Einsatzdauer lassen an der Effizienz dieses Unterfangens zweifeln

VON OLIVER ILAN SCHULZ

Wer in der Samstagnacht im Club Maria am Ufer weilte oder zur normalen Clubgehzeit dort hineinwollte, musste eine böse Überraschung erleben. Denn dort stand um zwei Uhr morgens statt Techno plötzlich eine „Großrazzia“ – wie die Polizei selbstbewusst vermeldet – auf dem Programm. Ungefähr 35 Polizeitransporter in Grün-Weiß und Zivil blockierten die gesamte Schillingbrücke. 170 Beamte waren im und um den Club herum im Einsatz. Niemand kam mehr rein oder raus. Zur Begründung hieß es auf Nachfrage von der Pressestelle der Polizei, Hinweise und Ermittlungen hätten ergeben, dass im Club mit weichen und harten Drogen gehandelt würde.

Für die massive Anzahl von Polizisten hatten die Beamten vor Ort eine Erklärung parat: So werde gewährleistet, dass verdächtige Clubbesucher nicht so lange warten müssten, bis sie bei der Durchsuchung drankämen. Tatsächlich brauchten die 170 Beamten bei ihrem Einsatz für die 150 Gäste (polizeiliche Schätzung) und letztlich 123 überprüften Personen schlappe vier Stunden. Wäre auf jeden Gast nur eine Einsatzkraft gekommen, hätte das Ganze also sogar fünfeinhalb Stunden gedauert. Da hätte man dann schon über die Bereitstellung von Dixieklos und Gulaschkanonen nachdenken müssen.

Respekt für so viel Gründlichkeit und vor allem für die Erfolgsbilanz der Polizei: Es wurden zwölf Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eingeleitet und zwei Anzeigen wegen Drogenhandels erstattet. Wären die alle Großdealer, würde uns das bedenklich stimmen. Davon ist allerdings nicht auszugehen. „Es wurden keine relevanten Mengen Drogen gefunden, deshalb wird der Club auch nicht geschlossen“, sagte der Betreiber der Maria, Ben Biel.

Ohne den Konsum von Drogen und seine Gefahren verharmlosen zu wollen: Sicherlich hätte eine Razzia in mancher Kneipe ein ähnliches Ergebnis gezeitigt – und wie war das doch gleich im Bundestag? Zur Überraschung der Betreiber durchsuchten die Beamten dann noch gezielt die Betriebsräume des Clubs. Weniger überraschend, dass sie nicht fündig wurden: Hält man in Berlin die Betreiber eines legalen und etablierten Clubs wirklich für so dumm, dass sie ihren Gästen selbst Drogen verkaufen? Nein, Drogen sind ein Großstadtphänomen, dem man im Clubkontext wohl besser durch Prävention und Dialog mit den Betreibern und Publikum begegnet als durch derartige Hauruckaktionen. Da drängt sich der Verdacht auf, dass hier für die Clubszene (oder eine bestimmte Clubszene oder an einem bestimmten Club?) ein Exempel statuiert werden sollte.

So etwas hat es in Berlin schon lange nicht mehr gegeben. Und dabei schien es, dass sich auch auf höchster Ebene inzwischen die Einsicht durchgesetzt hat, wie wichtig gerade die (Sub-)Kultur für Berlin aka „arm, aber sexy“ ist. Erst vor 14 Tagen hat sich der Berliner Wirtschaftssenator Zeit genommen, um neue Zahlen für die Kreativwirtschaft vorzustellen. Wenn wir auch bei dieser aufregenden Pressekonferenz nicht selbst dabei waren, haben wir auf der Webseite des Senats nachgeschaut, der man die sicherlich mit stolz geschwellter Brust verkündeten Statistiken noch ansehen kann: 16 Milliarden Euro Umsatz (Tendenz steigend) haben die Kreativen 2005 erwirtschaftet – und damit 20 Prozent des Berliner Bruttoinlandsprodukts. 200.000 Beschäftigte zählt die Branche, rechnet man die Freien und Selbstständigen mit dazu, was natürlich unerlässlich ist, denn wo gibt es im Kulturbereich schon noch Festanstellungen?

Vielleicht weiß in Berlin ja wieder einmal eine Hand nicht, was die andere tut. Oder man möchte die subkulturell inspirierten Clubs jetzt, nachdem die Pionierarbeit geleistet ist, loswerden und durch sauberere ersetzen. Oder hat das Booking der Polizei nicht gefallen? Wir hätten den DJ aus Detroit und seine Berliner Kollegen jedenfalls gern gesehen. Wir hatten aber dann doch nicht die dafür an diesem Abend notwendige Geduld: Nachdem die Polizei ihre Aktion gegen sechs Uhr beendet und alle Leute nach Hause geschickt hatte, gab sie den Betreibern die Erlaubnis, die Anlage wieder einzuschalten. Danke.

Publiziert in: taz, 3. Juli 2007